Die abenteuerliche Notlandung des Wiener Verkehrsflugzeuges „Ö-Lal“ auf der Saualpe in zweitausend Meter ist, wie nun durch die ersten Berichte der Rettungsexpeditionen bekannt wird, verhältnismäßig glimpflich verlaufen. Alle fünf Flugzeugpassagiere konnten geborgen werden, aber nicht, wie erwartet, von den Rettungsexpeditionen aus Wolfsberg, sondern von einer Rettungsmannschaft, die zur gleichen Zeit von Eberstein am Westabhang der Saualpe aufgestiegen war. Der italienische Passagier und ein Mitglied der Bordmannschaft, der Funker Bittner, mußten auf Tragbahren zu Tal geschafft werden. Die erfolgreiche Rettungsmannschaft traf mit den fünf Passagieren gestern um sechzehn Uhr in Eberstein ein, von wo die Flugzeuginsassen in Rettungsautos nach Klagenfurt transportiert wurden.
Wir veröffentlichen nachstehend einen Bericht des Postenkommandanten von Eberstein, der an der Rettungsexpedition teilgenommen hatte.
Eberstein, 17. März. Als gestern nachmittag das Gendarmerie-Bezirkskommando in Wolfsberg von der Notlandung des Wiener Verkehrsflugzeuges von Klagenfurter Flughafen verständigt wurde, war gleichzeitig auch der Gendarmerieposten in Eberstein im Görtschritztal bei Klein-Sankt-Paul von dem Unglück in Kenntnis gesetzt worden. Eberstein liegt nämlich am Westabhang des Bergmassivs der Saualpe und die im gestrigen Bericht erwähnte „Wolfsberger Hütte“, in deren Nähe sich das Flugzeug befinden sollte, ist von Eberstein aus rascher zu erreichen. Der Kommandant des hiesigen Gendarmeriepostens, Revierinspektor Franz Wigisser, stellte sofort eine zwanzig Mann starke Rettungsexpedition zusammen, an der er selbst mit zwei Gendarmen und dem Arzt Dr. Lampersberger teilnahm.
Aufstieg der Hilfsexpedition im Schneesturm
Die Expedition brach bald nach 14 Uhr auf und stieg zunächst in kleineren Gruppen, die auch Tragbahren mit sich trugen, zur sogenannten „Steiner-Hütte“, einen auch zur Winterzeit voll bewirtschafteten Alpenhotel, auf. Über den Aufstieg selbst, über die Entdeckung des Flugzeuges und die erst heute morgens erfolgte Bergung der Flugzeuginsassen erzählt Revierinspektor Wigisser folgendes:
„Obwohl der Weg zum Steiner-Haus ein Fahrweg ist, war der Aufstieg wegen des furchtbaren Schneesturmes überaus mühevoll. Wir sind erst gegen 18.30 Uhr im Steiner-Haus eingetroffen. Nun stiegen die einzelnen Gruppen unserer Rettungsexpedition patrouillenmäßig in das Gebiet auf, wo das Flugzeug liegen sollte. Einige Leute, unter ihnen auch der Arzt, blieben im Steiner-Haus zurück, um die Verbindung mit den einzelnen Suchpatrouillen aufrechtzuerhalten.
Planmäßig wurde dann das ganze Gebiet abgesucht, doch die meisten Gruppen mußten wegen des immer stärker werdenden Sturmes die Suche einstellen und zur Steiner-Hütte zurückkehren.
Eine Patrouille entdeckt das Flugzeuges
Während nun die Leute im Alpenhotel neue Rettungspläne besprachen und ungeduldig auf die Rückkehr der anderen Gruppen warteten, in der Hoffnung, daß diese vielleicht doch noch eine Spur des Flugzeuges entdecken konnten, trafen zwei Mitglieder der von Dr. Pressinger geführten Patrouille im Hotel ein, die uns die freudige Nachricht brachten, daß es ihnen gelungen sei, das Flugzeug zu finden und den Insassen Erste Hilfe zu leisten. Sie berichteten nun ausführlich über die Entdeckung des Flugzeuges und teilten auch mit, daß eine Bergung der Insassen im Laufe der Nacht unmöglich sei, da nicht nur diese selbst, sondern auch die Retter in Lebensgefahr geraten würden. Wir erfuhren nun auch, wie es den Flugzeuginsassen geht, weiter, daß Dr. Pressinger mit zwei Mitgliedern seiner Gruppe im Flugzeug zurückgeblieben war und daß man uns am frühen Morgen erwarte.
Ich schickte nun einen meiner Gendarmen nach Eberstein hinunter, um sofort die Nachricht von der Entdeckung des Flugzeuges nach Klagenfurt weiterzugeben. Mit den Gruppen der aus Wolfsberg aufgestiegenen Rettungsmannschaft, die die Nacht in der Wolfsbergerhütte zugebracht hat, sind wir erst heute früh bei der Bergung der Flugzeuginsassen zusammengestoßen. Eine Militärpatrouille aus Wolfsberg war uns dann beim Transport der beiden Verletzten zum Steinerhaus behilflich.
An der Stätte der Notlandung
Heute am frühen Morgen, sofort nach Tagesanbruch, der Schneesturm hatte sich im Laufe der Nacht gelegt, sind wir dann alle zur Unglücksstätte aufgestiegen. Das demolierte Flugzeug lag in einer Mulde des weithin hügeligen Geländes, so daß wir es erst im letzten Augenblick bemerkten. Auch von der Wolfsbergerhütte aus war das Flugzeug nicht zu sehen.
Wir trafen die zurückgebliebenen Retter und die fünf Flugzeuginsassen verhältnismäßig wohlbehalten an. Sie hatten die ganze Nacht in der Kabine zugebracht. Der italienische Fluggast zeigte sich sehr apathisch. Er war am schwersten verletzt. Er dürfte eine Gehirnerschütterung, einen Kieferbruch und eine Kopfverletzung erlitten haben. Der zweite Verletzte war der Bordfunker Bittner, der eine Knieverletzung hatte.
Die beiden wurden nun auf Tragbahren zum Steinerhaus gebracht, wo ihnen Dr. Lampesberger erste Hilfe leistete. Die drei anderen Flugzeuginsassen erhielten von uns mitgebrachte Bergschuhe und stiegen dann mit uns zu Fuß nach Eberstein ab, wo wir schließlich gegen 16 Uhr eintrafen. Auch das gesamte Gepäck nahmen wir mit, während vom Flugzeug keinerlei Bestandteile mitgenommen werden konnten.“
Fünf Menschen eng aneinander geschmiegt
Soweit die Schilderung des Postenkommandanten. Über die Erlebnisse des Doktors Pressinger, der, wie erwähnt, das Flugzeug entdeckt hatte, wird von anderer Seite noch folgendes berichtet: Als sich die Gruppe des Dr. Pressinger dem Flugzeug näherte, sahen und hörten die Leute von den Insassen zunächst nichts. Das Flugzeug war ganz eingeschneit, man sah aber deutlich die Beschädigungen der Tragflächen und der Motoren.
Als sich dann die fünf Retter im Schneesturm an die Kabine, die aber vollkommen intakt geblieben war, heranarbeiten konnten, fanden sie in der Kabine die fünf Personen eng aneinander geschmiegt. Mühsam drangen dann die Retter in die Kabine ein. Die Verunglückten hatten die beiden Verletzten bereits notdürftig verbunden. Alle fünf klagten über die furchtbare Kälte, da sie nur leicht bekleidet waren und die Heizung infolge des Aussetzens der Motoren nicht mehr funktioniert hat.
Die Insassen wurden zunächst mit heißen Getränken gelabt und man bemühte sich auch sonst um sie, so gut es eben ging. An einen Abtransport war natürlich nicht zu denken. Besondere Sorgfalt wurde dem schwerverletzten italienischen Fahrgast zugewendet. Als es heute früh mit der Bergung endlich ernst wurde, atmeten wohl alle fünf Insassen erleichtert auf.
Vom Erfrierungstod gerettet
Der Leiter des Flughafens in Klagenfurt, Kapitän Fedrigoni, der sich ebenfalls im verunglückten Flugzeug auf dem Heimflug von einer Dienstreise nach Wien befand, sagte:
„Diese Nacht war furchtbar kalt! Es ist ein Wunder, daß wir nicht alle erfroren sind!“
Die anderen Fluginsassen außer dem erwähnten Italiener Cesare Diomedi, dem Kapitän Fedrigoni und dem Bordfunker Bittner, waren der Wiener Pilot Mandl, ein erprobter Feldpilot, und der Monteur Hölzl. Alle äußerten sich sehr begeistert über das heroische Verhalten des Patrouillenführers Dr. Pressinger, der mit seinen vier Helfern so lange suchte, bis er das Flugzeug gefunden hatte. Sie bezeichneten ihn als ihren Lebensretter; denn hätte er das Flugzeug über Nacht nicht entdeckt, wäre es sicher am Morgen ganz verschneit gewesen und jede weitere Suche wäre ziemlich erfolglos geblieben. Dann wären aber alle fünf Insassen rettungslos dem Erfrierungstod preisgegeben gewesen.
Mit dem Flugzeug gegen die Bergspitze
Aus den späteren Schilderungen des Piloten geht hervor, daß die Maschine nur knapp der Katastrophe entgangen ist. Infolge des furchtbaren Schneesturmes hatte er jede Orientierung verloren. Er war der Meinung, daß sich die Maschine bereits über dem Klagenfurter Becken befindet und wollte nun niedergehen. Das Flugzeug befand sich aber immer noch im Gebiet der Saualpe, und als der Pilot die Maschine senkte, streifte sie bei einer Stundengeschwindigkeit von 250 Kilometer die höchste Spitze der Saualpe.
Die Insassen des Flugzeuges verspürten plötzlich einen heftigen Stoß. Die schwere Maschine neigte sich nach vorn. Splitternd brach das Fahrgestell und im nächsten Augenblick verstummte das Motorengeräusch. Als sich die Insassen vom ersten Schrecken erholt hatten, sahen sie, daß sie in einem demolierten Flugzeug mitten im tief verschneiten Hochgebirge sich befanden. Der Pilot, der bei der Notlandung sehr viel Kühnheit zeigte, hatte noch die Geistesgegenwart, rechtzeitig den Hahn des Benzintankes abzusperren. Zum Glück ist die Funkstation intakt geblieben, so daß der Flughafen in Klagenfurt vom Unglück verständigt werden konnte. Später versagte nämlich auch diese einzige Verbindung mit der Außenwelt.
(Das Kleine Blatt vom 18.3.1936, Seite 8f)